Die GEW Hamburg, die ver.di Hamburg sowie zahlreiche Hamburger Organisationen und Betriebsgruppen haben sich zum Hamburger Bündnis gegen Berufsverbote zusammengeschlossen, um die angekündigte Wiedereinführung staatlicher Berufsverbote zu verhindern.
Der Hintergrund: Eine aktuelle Gesetzesinitiative des Hamburger Senats sieht vor, Bewerberinnen und Bewerber für den öffentlichen Dienst zukünftig routinemäßig durch den Verfassungsschutz überprüfen zu lassen. Betroffen wären durch diese sogenannte Regelanfrage Tarifbeschäftigte und Beamtinnen und Beamte. Auszubildende können gleich doppelt ausspioniert werden: Einmal vor Beginn der Ausbildung und ein zweites Mal vor Inkrafttreten eines festen Arbeitsverhältnisses. Dazu Heiko Humburg, Vorstandsmitglied der GEW Hamburg und Pressesprecher des Bündnisses: „Es ist absurd: Erst 2022 hat sich die Hamburgische Bürgerschaft für die Berufsverbote der 1970er Jahre entschuldigt. Und nun kündigt der Senat mit der Regelanfrage eine Maßnahme an, die in der Konsequenz dasselbe Ergebnis haben würde. Wer sich gesellschaftlich engagiert oder eine in den Augen des Verfassungsschutz unliebsame Meinung vertritt, kann fortan seinen Job verlieren oder gar nicht erst antreten. Besonders erschreckend ist, dass die Regelanfrage rechtsstaatliche Grundätze aushebelt: Nicht Straftaten oder Fehlverhalten werden verfolgt, sondern lediglich tatsächliche oder durch den Verfassungsschutz unterstellte Gesinnung.“
Der Hamburger Innensenator Andy Grote betont, dass mit der Maßnahme vor allem gegen Islamisten vorgegangen werden soll. Dazu Andrea Krieger, aktive ver.di Gewerkschafterin: „Trotz vermeintlich guter Absichten geht die Regelanfrage nach hinten los: Die Prüfung der Gesinnung von Kolleginnen und Kollegen ist selber eine Gefahr für die demokratische Kultur. Denn Gesinnungsprüfungen schaffen ein Klima des Misstrauens und der Überwachung, das dem demokratischen Prinzip der freien Meinungsäußerung fundamental widerspricht.“
Der Hamburger Senat würde mit diesen Maßnahmen genau das Gegenteil dessen erreichen, was er vorgibt, erreichen zu wollen. Statt die Grundwerte einer liberalen offenen Demokratie zu verteidigen, würde der Senat diese Grundwerte außer Kraft setzen. Demokratische Kultur entsteht durch Vertrauen, offenen Dialog und die Gewissheit, frei seine Meinung äußern zu können – nicht durch präventive Überwachung und Gesinnungskontrolle. Es ist zu befürchten, dass durch die Regelanfrage eine Stimmung geschaffen wird, in der alle Angst haben, ins Visier des Inlandsgeheimdienstes zu geraten, die sich gewerkschaftlich und zivilgesellschaftlich engagieren. Krieger betont: „Schon in den 1970er und 1980er Jahren trafen Berufsverbote vor allem politisch Aktive, die sich kritisch mit gesellschaftlichen Entwicklungen auseinandergesetzt und sich für friedliches Zusammenleben eingesetzt haben. Angesichts der aktuellen Bestrebungen, militärisch aufzurüsten, ist zu befürchten, dass auch diesmal wieder diejenigen betroffen sein könnten, die sich einer solchen Militarisierung entgegenstellen.“
Durch die Anfrage beim Verfassungsschutz soll ausgerechnet eine Institution gestärkt werden, die selbst immer wieder in der Kritik steht. Schon die Ermittlungen um die Mordserie des „NSU“ haben gezeigt, dass dieser ohne den Verfassungsschutz und seine V-Leute-Praxis gar nicht möglich gewesen wäre. Ein derart skandalgeplagter Inlandsgeheimdienst, der sich in der Vergangenheit gezielt parlamentarischer Kontrolle entzogen hat, kann kaum als Stütze demokratischer Kultur gelten. Der Verfassungsschutz wird zudem kaum demokratisch kontrolliert, sondern ist weisungsgebunden dem Innensenator unterstellt. Das neue Hamburger Bündnis kritisiert diese Maßnahmen scharf. Es sieht in der Gesetzesinitiative eine Umkehr der Beweislast und befürchtet ein Klima der Verunsicherung. Humburg stellt klar: „Es darf keinen Generalverdacht gegen Menschen geben, die sich politisch engagieren. Politisch motivierte Berufsverbote und Regelanfragen sind Instrumente, die dem Geist eines demokratischen Rechtsstaates fundamental widersprechen und zivilgesellschaftliches Engagement gefährden. Bereits heute bestehen ausreichende rechtliche Mittel, um tatsächliche Verstöße gegen das Grundgesetz zu ahnden – die vermutete Gesinnung darf nicht der Maßstab für den Eintritt in den öffentlichen Dienst sein.“
Die Gründungsmitglieder des Bündnisses fordern die Hamburgische Bürgerschaft auf, der geplanten Wiedereinführung der Regelanfrage an den Verfassungsschutz nicht zuzustimmen und die Verschärfung der Disziplinargesetze zurückzunehmen. Eine widerstandsfähige Demokratie lebt von Vielfalt, Meinungsfreiheit und einem aktiven zivilgesellschaftlichen Engagement – und nicht von Misstrauen, Verdacht und Ausschluss.
Kontakt und weitere Informationen:
Hamburger Bündnis gegen Berufsverbote
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